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Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung – Apothekenrecht

Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter  

Der 2005 weltweit bekannt gewordene Fall der US-amerikanischen Wachkoma-Patientin Terry Schiavo hat allein in Niedersachsen zu 85.000 Anfragen nach Patientenverfügungen bei der Niedersächsischen Ärztekammer geführt. Die gegensätzlichen Entscheidungen der Gerichte in diesem Fall haben jedermann vor Augen geführt, wie wichtig es ist, für den Fall Vorsorge zu treffen, dass der Betroffene infolge eines Unfalls, einer schweren Erkrankung oder durch Nach-lassen der geistigen Kräfte im Alter seine Angelegenheiten nicht mehr selbst wie gewohnt regeln kann. Eine gesteigerte Verantwortung trifft den selbstständigen Heilberufler, der nicht nur von Berufs wegen mit Fragen von Tod und Leben befasst ist, sondern über sich und seine Familie hinaus Verantwortung für seine Apotheke oder Praxis und deren Mitarbeiter trägt. Wer soll z. B. und wie entscheiden, wenn ein selbstständiger Apotheker aufgrund eines Unfalls in ein Wachkoma fällt? Wie soll sich ein Arzt verhalten, wenn ein Unfallopfer über eine Operation nicht mehr selbst entscheiden kann und sich dem Arzt z. B. statt einer Ehefrau ein Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vorstellt, um den Zustand des Unfallopfers und die Art und Weise der deshalb anstehenden Operation zu besprechen? 

Für solche Fälle kann und muss der Betroffene nicht nur im eigenen Interesse, sondern gerade auch im Interesse seiner Familie und Mitarbeiter durch eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung Vorkehrungen treffen.

1. Die Vorsorgevollmacht

Nach unserer Rechtsordnung haben nur Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern ein umfassendes Sorgerecht und sind zu ihrer Vertretung gesetzlich berechtigt. Für einen Voll-jährigen kann hingegen jemand nur dann rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben, wenn er von ihm bevollmächtigt worden ist oder das zuständige Betreuungsgericht ihn zum Betreuer bestellt hat. Enge Verwandtschaft oder eine – auch langjährige – Ehe allein können eine solche Vollmacht nicht ersetzen. Es ist deshalb eine Vorsorgevollmacht erforderlich.

Um die Wirkungsweise einer Vorsorgevollmacht verstehen zu können, ist das Außen- und das Innenverhältnis zu unterscheiden. Das Außenverhältnis besteht zwischen dem Vollmachtgeber und seinem/seinen Bevollmächtigten einerseits und Dritten, denen gegenüber Erklärungen abzugeben sind wie z. B. Banken, Ärzten, Pflegeeinrichtungen, Behörden etc. andererseits. Im Außenverhältnis ist nur von Bedeutung, ob für jedermann ersichtlich jemand Vollmacht erhalten hat bzw. ob er die Rechtsmacht hat, gegenüber Dritten für den Vollmachtgeber zu handeln („rechtliches Können“). Es muss also unbedingt vermieden werden, dass nach außen hin die Bevollmächtigung unter einer Bedingung steht wie z. B. Unfall, Erkrankung etc. oder anderweitige Beschränkungen, die von Dritten nicht überprüft werden können und die sie deshalb veranlassen werden, eine vorgelegte Vollmacht zurückzuweisen. Die vorgenannten Bedingungen und anderweitige Beschränkungen sollten deshalb allein auf das Innenverhältnis von Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem bezogen werden („rechtliches Dürfen“). Damit ist zwar notwendigerweise die Gefahr von Missbräuchen verbunden, wenn auch Verstöße gegen solche Beschränkungen ggf. Schadensersatzansprüche des Vollmachtgebers gegen den Bevollmächtigten begründen. Nur auf diese Weise lässt sich je-doch sicherstellen, dass Dritte im Ernstfall auf  die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht vertrauen können. 

Aus dem erforderlichen Schutz des Rechtsverkehrs ergibt sich zugleich, dass eine Vorsorgevollmacht, die ihren Namen verdient, in notariell beglaubigter oder beurkundeter Form ab-geschlossen werden sollte. Damit ist z. B. ausgeschlossen, dass Banken eine Vollmacht mit der Begründung zurückweisen, dass die Echtheit der Unterschrift unter der Vollmacht oder die Identität des Bevollmächtigten nicht geklärt sei. Darüber hinaus ermöglicht eine notariell beglaubigte oder beurkundete Vollmacht, dass ein Bevollmächtigter Grundstücksgeschäfte vornehmen kann, z. B. die Belastung eines Hausgrundstücks des Vollmachtgebers mit einer Grundschuld. Eine solche Grundschuld kann als Sicherheit für einen Bankkredit erforderlich werden, mit dem z.B. eine Rehabilitationsmaßnahme oder ein Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung finanziert werden kann, deren Kosten durch die Kranken- oder Pflegeversicherung des Vollmachtgebers nicht hinreichend abgedeckt sind.

Sofern der Vollmachtgeber zustimmt, wird der Notar die Vollmacht bei dem Zentralregister der Bundesnotarkammer gegen eine geringe Gebühr registrieren lassen. Aufgrund gesetzlicher Regelung sind alle deutschen Betreuungsgerichte gehalten, bei diesem Vorsorgevollmachtsregister nachzufragen, ob eine Vorsorgevollmacht vorliegt, bevor ein Betreuer bestellt wird. Die Vorsorgevollmacht geht der Betreuung vor. Damit sichert eine notariell beglaubigte oder beurkundete Vorsorgevollmacht die Selbstbestimmung des Vollmachtgebers.

Die durch die Tätigkeit des Notars entstehenden Gebühren richten sich nach dem Wert des Vermögens des Vollmachtgebers und betragen zwischen 45 € und höchstens 403,50 € zzgl. Umsatzsteuer.

Der Inhalt der Vorsorgevollmacht betrifft zum einen den Vermögensbereich, nämlich über das Vermögen des Vollmachtgebers zu verfügen, ihn gegenüber Dritten zu vertreten und/oder Verträge oder sonstige Vereinbarungen über Wohnungen, Grundstücke sowie mit Kliniken, Altenheimen, Pflegeheimen etc. abzuschließen. 

Zum anderen betrifft die Vorsorgevollmacht die gesundheitliche Vorsorge und das Selbstbestimmungsrecht. Dazu gehören die Aufenthaltsbestimmung und Erklärungen in Gesundheitsangelegenheiten wie die Einwilligung zu Operationen. Zugleich wird der Vollmachtgeber die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht gegenüber dem Bevollmächtigten befreien. Letztere Regelung ist insbesondere wichtig, wenn der Vollmachtgeber nicht verheiratet ist, sondern mit einem Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebt. In solchen Fällen kann und darf der behandelnde Arzt nicht ohne weiteres von einer mutmaßlichen Einwilligung des Vollmachtgebers dahin ausgehen, seine gesundheitlichen Angelegenheiten mit jemandem zu besprechen, dessen persönliche Verbindung zu dem Vollmachtgeber für einen außenstehenden Dritten unklar ist. Ohne Vorsorgevollmacht hat der behandelnde Arzt das Risiko, dass er sich ggf. wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht strafbar machen könnte.

Noch gravierender sind die Folgen einer fehlenden Vorsorgevollmacht für den selbstständigen Apotheker und seine Apotheke, wenn er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. In einem solchen Fall verliert er bekanntlich seine Betriebserlaubnis nach dem Apothekengesetz, die personengebunden ist. Es stellt sich dann die Frage, wer für ihn für eine maximale Übergangsfrist von 12 Monaten den Verwalter seiner Apotheke auswählt und/oder wer für ihn mit wem ggf. einen Apotheken-Pachtvertrag oder einen Apotheken-Verkaufsvertrag abschließt. Hat der selbstständige Apotheker in einem solchen Fall einer Person seines absoluten Vertrauens keine Vorsorgevollmacht erteilt, muss das zuständige Betreuungsgericht für ihn einen Betreuer bestellen, ohne dass der Betroffene auf die Auswahl der Person des Betreuers und seine Qualifikation, insbesondere seine Kenntnisse und Fähigkeiten in der Apothekenführung sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Umfelds der Apotheke, Einfluß nehmen kann. Jeder selbstständige Apotheker, der seiner Verantwortung für seine Familie und seine Mitarbeiter gerecht werden möchte, ist daher gehalten, seinem Ehepartner oder einer sonstigen Person seines Vertrauens eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Im Fall eines Falles vertraut der selbstständige Apotheker dann zwar sein Schicksal einer anderen Person an. Eine bewusste Entscheidung dürfte aber in jedem Fall einer Fremdbestimmung durch das Betreuungsgericht vorzuziehen sein.

2. Die Patientenverfügung

Ungeachtet einer Vorsorgevollmacht kann es dem Bevollmächtigten oder dem Betreuer schwer fallen, bei eilbedürftigen ärztlichen Behandlungen oder auch irreversiblen Maßnahmen den rechtlich maßgebenden mutmaßlichen Willen des Betroffenen zu ermitteln, wenn dieser sich in der Vergangenheit nicht schriftlich oder auch nur mündlich über seine Vorstellungen für eine medizinische Behandlung geäußert hat. Für einen solchen Fall kann die so genannte Patientenverfügung hilfreich sein, in der der Betroffene nach seiner eigenen Lebenseinstellung und eigenen Wertvorstellungen – im Rahmen des rechtlich Zulässigen – festlegt, in welchen Situationen er welche Behandlung wünscht. Der Betroffene muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass er sich in einem hoch problematischen Feld bewegt. Auf der einen Seite hat er nach einhelliger Auffassung das Selbstbestimmungsrecht anzuordnen, dass nach Eintritt eines irreversiblen Sterbeprozesses lebensverlängernde oder lebenserhaltende Maßnahmen unterlassen werden, die nur den Todeseintritt verzögern, oder schmerzlindernde Maßnahmen ergriffen werden, auch wenn als Nebenfolge der Tod schneller eintritt (passive Sterbehilfe). Auf der anderen Seite steht die - unzulässige – aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen als Straftatbestand nach § 216 StGB), wenn noch kein irreversibler Sterbeprozess eingesetzt hat. Liegt keine Patientenverfügung vor, müssen Bevollmächtigter und behandelnder Arzt z.B., wenn der Patient in ein Wachkoma gefallen ist, bei dem zuständigen Betreuungsgericht die Bestellung eines Betreuers beantragen, der dann ggf. wiederum die Zustimmung des Gerichts zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen einzuholen hat. Neben der Gefahr solcher schwierigen und zeitraubenden Verfahren kommen die Gewissenskonflikte hinzu, in die eine fehlende Patientenverfügung einen Bevollmächtigten und einen behandelnden Arzt im Grenzbereich zur aktiven Sterbehilfe bringen kann. Auf der einen Seite steht die Furcht des Menschen, unentrinnbar einer seelenlosen Apparatemedizin ausgeliefert zu sein. Auf der anderen Seite steht der unbedingte Wunsch, zur Lebenserhaltung alle Möglichkeiten der Intensivmedizin zu nutzen. 

Wenn der Betroffene vor diesem Hintergrund keine Patientenverfügung treffen möchte, weil er wegen unabsehbarer Entwicklungen seines Gesundheitszustands auf den Bevollmächtigten und die behandelnden Ärzte vertrauen und sich ihren Wertvorstellungen anvertrauen möchte, ist dann allerdings die Auswahl des Bevollmächtigten in einer Vorsorgevollmacht umso wichtiger.

3. Ergebnis 

Persönlich wichtig ist die Vorsorgevollmacht insbesondere dann, wenn der Betroffene nicht verheiratet ist, aber in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einem Partner lebt, der für ihn wie ein Ehegatte sorgt und sorgen soll. 

Davon abgesehen ist eine Vorsorgevollmacht ist für den selbstständigen Heilberufler, insbesondere Apotheker, ein Muss im Interesse seiner Familie und Mitarbeiter. So wie er nach dem Apothekengesetz gehalten ist, durch ein entsprechendes Testament die Fortführung der Apotheke und dadurch die Absicherung seiner Familie zu regeln, dient die Vorsorgevollmacht dazu, den Betrieb der Apotheke zu seinen Lebzeiten, z. B. nach einem Unfall, sicher zu stellen.

Ob darüber der Apotheker/die Apothekerin darüber hinaus eine Patientenverfügung trifft, ist eine höchstpersönliche Entscheidung, die sich nach der Lebenseinstellung und den Wertvorstellungen des Betroffenen richtet.

 

Dr. Johannes Kevekordes
Rechtsanwalt und Notar 

Für kompetente Beratung im Apothekenrecht

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