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»Benachbart« oder nicht? – Apothekenrecht

Erweiterte Grenzen für Filialapotheken

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen (VG) zur Entfernung zwischen Apothekenfiliale zur Hauptapotheke unterscheidet zwischen den Begriffen »benachbart« und »angrenzend«: Aus Sicht der Richter ist eine Entfernung von einer Fahrstunde zwischen Haupt- und Filialapotheke unabhängig von Kreisgrenzen zulässig. Die Bremer Apothekerkammer und die zuständige Aufsichtsbehörde hatten sich zuvor dagegen ausgesprochen.

Dr. Johannes Kevekordes, Rechtsanwalt, hat als Vertreter des Verkäufers einer größeren Apotheke in Bremerhaven zusammen mit den Vertretern der Käuferin aus Bremen ein Urteil erfochten, das die Kernfrage des Mehrbesitzes berührt. Das Urteil des VG Bremen vom 3. März 2012 (Az. 5 K 1588/11) behandelt damit erstmalig die räumlichen Grenzen  eines Apothekenfilialverbundes. 

Hintergrund

Die Käuferin mit einer Hauptapotheke in Bremen und einer Filialapotheke im angrenzenden Landkreis Verden, Niedersachsen, wollte nach Abschluss des Kaufvertrags eine weitere Filialapotheke in Bremerhaven eröffnen. Bremerhaven ist 57 km von Bremen entfernt und über die Autobahn in etwa 35 Minuten zu erreichen. Zwischen Bremen und Bremerhaven liegen jedoch zwei unterschiedliche niedersächsische Landkreise. 

Die Praxis der Erlaubnisbehörden, bis zu welcher räumlichen Entfernung zwischen Haupt-und Filialapotheken einem Apotheker die Betriebserlaubnis zu erteilen ist, war bisher recht unterschiedlich. Nach dem Gesetz kommt es jedoch darauf an, dass Haupt- und Filialapotheken in benachbarten Kreisen liegen.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung von Klägern und Rechtsanwalt Dr. Kevekordes entschieden, dass der Begriff »benachbart« nicht gleichzusetzen ist mit dem Begriff »angrenzend«, sondern vielmehr »nahe gelegen« bedeute. Die erforderliche räumliche Nähe zwischen Haupt- und Filialapotheken sei auch dann noch gegeben, wenn eine Filialapotheke von der Hauptapotheke aus innerhalb einer Fahrzeit von einer Stunde erreicht werden kann. 

»Die Auslegung des entscheidenden Begriffs 'benachbart' durch das Verwaltungsgericht nach Wortlaut, Gesetzesgeschichte sowie Sinn und Zweck des Gesetzes ist derart überzeugend, dass wir davon ausgehen, dass die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit der Hansestadt Bremen als zuständige Erlaubnisbehörde bis zum Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist am 21. Mai 2012 keine Berufung gegen dieses Urteil einlegen wird«, so Kevekordes.

Protest der Apothekerkammer

Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte die Erlaubnisbehörde aufgrund der von der Apothekerkammer Bremen vertretenen Rechtsauffassung die Verwaltungspraxis der Apothekerkammer Niedersachsen ignoriert, die dem Urteil des Verwaltungsgerichts entspricht: Die Behörde hatte  unzutreffenderweise "benachbart" als "angrenzend" ausgelegt und  entgegen dem Gesetzestext auf die Entfernung zwischen den Filialen in einem Apothekenverbund abgestellt. 

Die Apothekerkammer Bremen und die zuständige Aufsichtsbehörde wollten vor Gericht durchsetzen, dass das »Regionalprinzip« auch für die Filialen untereinander gilt – und nicht nur zwischen Haupt- und Filialapotheke. Das Gericht hatte dies jedoch abgelehnt.

»Hätte die Rechtsauffassung der Apothekerkammer Bremen Bestand gehabt, wäre es zu dem merkwürdigen Ergebnis gekommen, dass die Frage der Betriebserlaubnis künftig maßgeblich davon abhängig gewesen wäre, ob ein Apotheker mit Apotheken in Bremen und dem umliegenden Niedersachsen als Sitz seiner Hauptapotheke Niedersachsen oder Bremen bestimmt hätte. Im ersteren Fall wäre die Apothekerkammer Niedersachsen zuständig, nur im letzteren Fall Bremen«, erklärt Dr. Johannes Kevekordes.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts hat also nicht nur die zutreffende Rechtserkenntnis erbracht, sondern gleichzeitig eine allein von Bremer Apothekerinteressen geprägte »Insel-Lösung« oder »Bremer Landrecht« verhindert.

Dr. Johannes Kevekordes
Rechtsanwalt und Notar

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