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Arbeitsrechtliche Besonderheiten von Filialapotheken – Apothekenrecht

Seit dem 1.1.2004 ist nach dem Apothekengesetz nunmehr der Filialbesitz von Apotheken in eingeschränkter Form zugelassen. Wenn ein Apotheker beabsichtigt, Apotheken zu erwerben oder zu gründen, um sie als Filialapotheken zu betreiben, muss er allerdings arbeitsrechtliche Besonderheiten beachten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich der beabsichtigte unternehmerische Gewinn ins Gegenteil verkehrt.

Arbeitsverträge mit Filialleitern

Wesentlich für die Führung und Organisation einer Filialapotheke sind die Vereinbarungen des Hauptapothekers mit seinem Führungspersonal. Der Gesetzgeber verlangt vom Inhaber oder Pächter der Filialapotheken (Hauptapotheker), dass er für die Leitung einer Filialapotheke eine/n Apotheker(in) benennt, der/die neben dem Inhaber oder Pächter die apotheken- und arzneimittelrechtlichen Verpflichtungen im Rahmen des Betriebs der Filialapotheke  zu erfüllen hat (nachstehend Filialleiter). Diese Verpflichtung ist in den Arbeitsvertrag mit dem betreffenden approbierten Mitarbeiter aufzunehmen. 

Weiterhin wird der Hauptapotheker zu überlegen haben, ob und inwieweit er dem Filialleiter nach außen hin Handlungsvollmacht und/oder Bankvollmacht erteilt und zu welchen Geschäften, insbesondere Einkäufen und Preisgestaltungen im Verkauf,  der Filialleiter im Innenverhältnis berechtigt sein soll. Darüber hinaus muss der Hauptapotheker entscheiden, ob und ggf. welche Befugnisse er dem Filialleiter gegenüber dem Personal der Filialapotheke einräumt. 

Von den Befugnissen des Filialleiters hängt es ab, ob er leitender Angestellter im Sinne des KSchG und/oder des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist. Leitende Angestellte unterliegen nicht der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von wöchentlich 48 Stunden und sind nicht tarifgebunden, es sei denn, die Arbeitsvertragsparteien nehmen im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf einen Tarifvertrag Bezug. 

Leitende Angestellte können jederzeit gegen eine Abfindung fristgemäß gekündigt werden. Dieser Status setzt nach § 14 KSchG jedoch voraus, dass der Filialleiter insbesondere gegenüber dem Personal als Betriebsleiter praktisch an die Stelle des Hauptapothekers tritt, also selbständig zur Einstellung und Entlassung von Personal berechtigt ist. Es werden wohl die wenigsten Hauptapotheker bereit sein, dem Filialleiter derartig weitreichende Befugnisse einzuräumen. 

Die Anforderungen an den Status des Leitenden Angestellten nach § 5 Abs.3 BetrVG sind zwar weniger hoch; erforderlich ist nur, dass der betreffende Mitarbeiter Aufgaben wahrnimmt, die für den Betrieb von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzen. Dieser Status hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz jedoch nur zur Folge, dass ein eventuell vorhandener Betriebsrat für den leitenden Angestellten nicht zuständig ist und vor einer Kündigung des Leitenden Angestellten nicht angehört werden muss. Die wenigsten Apotheken haben einen Betriebsrat.

Die entsprechenden Befugnisse des Filialleiters sind entweder in einseitigen Schreiben des Inhabers an den Filialleiter oder im Arbeitsvertrag festzuhalten. Eine spätere Änderung bedarf der Zustimmung beider Parteien oder einer Änderungskündigung. Insbesondere ist zu überlegen, ob der Hauptapotheker dem Filialleiter formelle Befugnisse erst nach Ablauf einer Probezeit einräumt. 

Schließlich ist zu überlegen, ob der Hauptapotheker seinem Filialleiter einen Leistungsanreiz durch eine Ziel-Bonus-Vereinbarung oder eine Tantieme-Vereinbarung bietet. Da der Filialleiter unternehmerische Initiative entwickeln soll, sollte die Vergütung des Filialleiters nur zu einem Teil aus einem Fixgehalt, zu einem nennenswerten Teil aber aus einer erfolgsabhängigen Vergütung bestehen. Wenn die erfolgsabhängige Vergütung auf einer Umsatz- oder Gewinnbeteiligung beruht, wird sich der Hauptapotheker entschließen müssen, dem Filialleiter die betriebswirtschaftlichen Daten der Filialapotheke offenzulegen.

Die wünschenswerte unternehmerische Initiative des Filialleiters kann allerdings die Existenz der Filialapotheke gefährden, wenn der Filialleiter die detaillierten Kenntnisse über den Apothekenstandort dazu nutzt, um in der Nachbarschaft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eine Apotheke zu gründen oder zu erwerben. Auf den ersten Blick bietet sich an, im Arbeitsvertrag mit dem Filialapotheker ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu vereinbaren. 

Ein Wettbewerbsverbot während der Vertragsdauer versteht sich auch ohne ausdrückliche Regelung von selbst. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann zwar gemäß § 74a HGB für einen Zeitraum bis zu 2 Jahren nach Vertragsende vereinbart werden. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nach der zwingenden Vorschrift des § 74 Abs.2 HGB jedoch nur wirksam, wenn sich der Hauptapotheker verpflichtet, dem Filialleiter nach dessen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Hauptapotheker für die vereinbarte Dauer des Verbots mindestens die Hälfte der Vergütung zu zahlen, die der Filialleiter vor Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bezogen hat. 

Die Abwägung von Risiko und Kosten dürfte im Regelfall zu der Entscheidung des Hauptapothekers führen, mit seinen Filialleitern kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu vereinbaren. Eine Karenzentschädigung dürfte gegenüber einem unbestimmten Risiko, dass ein Filialleiter in Wettbewerb mit dem Hauptapotheker treten könnte, zu teuer sein. 

Personalaustausch - Versetzung

Um die Vorteile der Kombination von Haupt- und Filialapotheken zu nutzen, ist u.a. von Bedeutung, ob ein Personalaustausch möglich ist. Dafür ist in erster Linie der Inhalt der Arbeitsverträge der Mitarbeiter maßgeblich. Bis jetzt wurde üblicherweise im Arbeitsvertrag der Name der Apotheke als Arbeitsort angegeben. 

Der Apotheker als Arbeitgeber kann dann seine Mitarbeiter/innen nicht ohne weiteres im Rahmen seines Direktionsrechtes anweisen, z.B. in einer mehr als ca. 3 km entfernten Filial-Apotheke zu arbeiten. Ist die Zustimmung der betreffenden Mitarbeiter erforderlich, ist unter Umständen die Übernahme zusätzlicher Fahrtkosten (bei größeren Entfernungen zwischen den Apotheken) ein Thema. Ist die Zustimmung der Mitarbeiter nicht zu erreichen, bleibt ggf. nur der Weg der Änderungskündigung, d.h. eine fristgemäße Beendigungskündigung mit dem Angebot, ab Beendigung der Kündigungsfrist zu den geänderten Bedingungen weiter zu arbeiten. 

Um diesen Schwierigkeiten vorzubeugen, empfiehlt sich, in die Arbeitsverträge jedes neu eingestellten Mitarbeiters eine – eingeschränkte – Versetzungsklausel aufzunehmen, etwa wie folgt: „Auf Verlangen des Arbeitgebers ist die Mitarbeiterin verpflichtet, ihre Arbeitsleistung in einer anderen Apotheke des Arbeitgebers im Umkreis bis zu ....km zu erbringen.“  Alternativ kann im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass sich der Arbeitsort auch auf schon vorhandene, konkret benannte Filialapotheken des Hauptapothekers erstreckt.

Kündigungsschutz 

Vor dem Erwerb einer Filialapotheke ist auch zu berücksichtigen, dass dann für alle Mitarbeiter des Hauptapothekers der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eingreifen dürfte. Das KSchG erlaubt Kündigungen nur aus dringenden betrieblichen, verhaltensbedingten oder personenbezogenen Gründen. Für eine verhaltensbedingte Kündigung ist eine vorhergehende Abmahnung erforderlich. Im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen sind zusätzlich die Gesichtspunkte der Sozialauswahl nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltsverpflichtungen zu beachten. 

Dieses maßgebliche Kündigungserschwernis setzt bereits ein, wenn ein Apotheker ständig mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt; Teilzeitkräfte sind anteilig zu rechnen, nämlich bei einer Wochenarbeitszeit bis 20 Stunden mit 0,5, bei einer Wochenarbeitszeit von bis zu 30 Stunden mit 0,75. Diese Grenze von umgerechnet ständig mehr als 10 Vollzeitmitarbeiter wird der Hauptapotheker praktisch bereits mit dem Erwerb oder der Gründung der ersten Filialapotheke überschreiten. Die Mitarbeiter von Haupt- und Filialapotheke sind nämlich zusammenzurechnen, wenn ein gemeinsamer Betrieb vorliegt. Voraussetzung für einen gemeinsamen Betrieb sind nur eine einheitliche organisatorische Leitung und der zielgerichtete Einsatz von Personal und Betriebsmitteln durch das Leitungsorgan. 

Ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen ein regelmäßiger  Personalaustausch zwischen Haupt- und Filialapotheken vorgesehen, liegt bereits ein gemeinsamer Betrieb vor. Ob ein gemeinsamer Betrieb von Haupt- und Filialapotheken vermieden werden kann oder ob eine entsprechende Gestaltung zur Trennung der Betriebe betriebswirtschaftlich vertretbar ist, kann nur im Einzelfall geklärt werden.

Diese Ausführungen betreffen die Übernahme von Personal durch Erwerb einer Filialapotheke. Das in der erworbenen Apotheke beschäftigte Personal bzw. deren Arbeitsverhältnisse gehen dann nach der zwingenden Vorschrift des § 613a BGB zu den bestehenden Arbeitsbedingungen von Gesetzes wegen auf den Hauptapotheker über. 

Anders verhält es sich, wenn der Hauptapotheker  eine Filialapotheke neu gründet und deshalb Mitarbeiter neu einstellt. Dann ist die Neufassung des Schwellenwerts in § 23 KSchG für die Anwendbarkeit des KSchG zu beachten, die ab dem 1.1.2004 gilt. Danach unterfallen neu angestellte Mitarbeiter nicht dem Kündigungsschutz nach dem KSchG, solange der Hauptapotheker insgesamt nicht mehr als 10 (Vollzeit-)Mitarbeiter beschäftigt. Kündigungsschutz genießen dann nur die Mitarbeiter der Hauptapotheke, die der Hauptapotheker bereits vor Gründung der Filialapotheke eingestellt hat, sofern es sich zusammengerechnet um mehr als 5 Vollzeitmitarbeiter handelt. Aus der gesetzlichen Neuregelung ergibt sich ein weiterer kündigungsrechtlicher Vorteil der Neugründung gegenüber dem Erwerb einer Filialapotheke: Sinkt im Laufe der Zeit die Zahl der Mitarbeiter der Hauptapotheke aus der Zeit vor der Gründung der Filialapotheke auf 5 und weniger (Vollzeit-)Mitarbeiter ab, verlieren auch die verbleibenden Mitarbeiter der Hauptapotheke den Kündigungsschutz nach dem KSchG. Selbst wenn der Hauptapotheker dann später in der Hauptapotheke wieder Mitarbeiter einstellt, ist das KSchG für alle seine Mitarbeiter erst wieder anwendbar, wenn der Hauptapotheker insgesamt mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt. 

Aus kündigungsrechtlicher Sicht ist es also für den Hauptapotheker überlegenswert, in der neu gegründeten Filialapotheke neue Mitarbeiter einzustellen und in der Hauptapotheke die Zahl der bisherigen Mitarbeiter möglichst auf 5 Mitarbeiter und weniger zu verringern. Zu den Voraussetzungen im einzelnen muss an dieser Stelle auf eine individuelle Rechtsberatung verwiesen werden. 

Weitere Folgen der höheren Zahl von Mitarbeitern durch Filialapotheken 

Der Apotheker, der beabsichtigt, eine oder mehrere Filialapotheken zu übernehmen oder zu gründen, wird zu beachten haben, dass allein durch die höhere Zahl von Mitarbeitern nicht nur das KSchG anwendbar werden kann, sondern auch im übrigen die arbeits- und sozialrechtlichen Anforderungen an ihn steigen.  

  • Nach § 1 BetrVG haben die Mitarbeiter eines Betriebs das Recht, ab einer Zahl von 5 Mitarbeitern (nach Köpfen) einen Betriebsrat zu wählen. 
  • Bei mehr als 10 Mitarbeitern – Teilzeitkräfte zählen anteilig - muss der Hauptapotheker nach 
  • § 6 Arbeitsschutzgesetz Arbeitsschutzmaßnahmen schriftlich dokumentieren. 
  • Ab 15 Mitarbeitern (nach Köpfen) haben die Mitarbeiter eines Unternehmens nach § 8 Teilzeitarbeits- und Befristungsgesetz sowie nach der strengeren Regelung des § 15 Bundeserziehungsgeldgesetz das Recht, während der Elternzeit einen Anspruch auf Teilzeitarbeit geltend zu machen.
  • Ab 20 Mitarbeiter ist der Apotheker verpflichtet, auf 5 % seiner Arbeitsplätze einen schwerbehinderten Mitarbeiter zu beschäftigen oder eine Ausgleichsabgabe von monatlich 105 € je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eines schwerbehinderten Mitarbeiters zu zahlen (vgl. §§ 71 ff. Sozialgesetzbuch IX). 
  • Ab 20 Mitarbeitern muss der Apotheker nach § 22 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch VII einen Sicherheitsbeauftragten für die gesetzliche Unfallversicherung bestellen.
  • Bei mehr als 20 Mitarbeitern (nach Köpfen) bedarf der Hauptapotheker bei personellen Einzelmaßnahmen (Einstellung, Ein- bzw. Umgruppierung und Versetzung) der Zustimmung des Betriebsrats (sofern ein solcher besteht) (vgl. § 99 BetrVG).
  • Bei mehr als 20 Mitarbeitern (nach Köpfen) kann der Betriebsrat (wenn er besteht) gegenüber dem Apotheker als Arbeitgeber einen Sozialplan erzwingen, wenn der Apotheker eine Betriebsänderung (wesentliche Einschränkung oder Stillegung des ganzen oder von wesentlichen Betriebsteilen oder grundlegende Änderung der Betriebsorganisation) beabsichtigt, die mehr als 20 % der Mitarbeiter, mindestens aber 6 Mitarbeiter erfasst (vgl. § 112a BetrVG).
  • Bei mehr als 20 Mitarbeitern muss der Apotheker der Bundesagentur für  Arbeit das Arbeitslosengeld erstatten, wenn der Apotheker einem Mitarbeiter nach Vollendung von dessen 55. Lebensjahres kündigt und dieser Mitarbeiter zuvor bei ihm vier Jahre lang beschäftigt war (§ 147a Sozialgesetzbuch III). Die Erstattungspflicht erstreckt sich auf maximal 32 Monate ab Vollendung des 57.Lebensjahres des betreffenden Mitarbeiters. Die Erstattungspflicht entfällt u.a., wenn die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt oder der betreffende Mitarbeiter selbst kündigt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass einerseits der Erwerb oder die Gründung von Filialapotheken durchaus arbeitsrechtliche Fallstricke beinhalten, andererseits bieten sich Gestaltungsmöglichkeiten, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und fachkundiger Beratung genutzt werden können.

Rechtsanwalt und Notar Dr. Johannes Kevekordes
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Für kompetente Beratung im Apothekenrecht

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