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Elternzeit in der Praxis – Apothekenrecht

1. Einleitung

Aufgrund der Erhöhung des Elterngeldes unabhängig vom Einkommen ist die Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ein allgemein bekanntes Thema geworden. Aufgrund des Anteils von mehr als 70 % Frauen unter den Mitarbeitern in Apotheken und heilberuflichen Praxen ist die Elternzeit dort von großer praktischer Bedeutung. Kein selbstständiger Heilberufler wird deshalb umhin kommen, sich mit den Grundlagen und praktischen Problemen der Elternzeit auseinander zu setzen.

2. Anspruchsinhalt

Anspruch auf Elternzeit steht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu, die mit ihrem Kind in einem Haushalt leben und dieses Kind selbst betreuen und erziehen. Die Elternzeit kann von jedem Elternteil gegenüber dem jeweiligen Arbeitgeber allein oder von beiden Elternteilen bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres eines Kindes. gemeinsam genommen werden. Die Mutterschutzfrist von 8 Wochen nach der Geburt des Kindes nach dem Mutterschutzgesetz wird auf diese Zeit angerechnet. Ein Anteil der Elternzeit von bis zu 12 Monaten ist mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des jeweiligen Kindes übertragbar. Dies gilt auch, wenn sich die Zeiträume der Elternzeit bei mehreren Kindern überschneiden. 

3. Geltendmachung der Elternzeit

Elternzeit muss vom Arbeitgeber spätestens 7 Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich verlangt werden. Hält der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin die Vorfrist zwischen Erklärung und gewünschtem Antritt der Elternzeit nicht ein, verschiebt sich der Beginn der Elternzeit um die entsprechende Zeitspanne.

Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer als Mutter bzw. Vater des neu geborenen Kindes sind berechtigt, für die ersten drei Lebensjahre des Kindes Beginn und Ende der Elternzeit selbstständig festzulegen. Während dieser Zeit darf die Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers auf zwei Zeitabschnitte verteilt werden. Wollen die Eltern die Elternzeit auf weitere Abschnitte verteilen, ist die Zustimmung des Arbeitgebers notwendig, ebenso, wenn ein Jahr der dreijährigen Elternzeit auf eine Zeit bis zum 8. Lebensjahr des Kindes übertragen werden soll.

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin muss sich den Inhalt des schriftlichen Verlangens nach Elternzeit gegenüber dem Arbeitgeber sorgfältig überlegen. Mit Zugang bei dem Arbeitgeber wird das Elternzeitverlangen unwiderruflich. Es handelt sich um ein Gestaltungsrecht der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers, das grundsätzlich bedingungsfeindlich und damit nicht widerrufbar ist. Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer bleibt auch dann an ihre /seine Erklärung gebunden, wenn sie/er sich im Interesse des Arbeitgebers lange vor den gesetzlichen Mindestfristen festgelegt hat. Sowohl eine Verlängerung wie eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Arbeitgebers. Auf eine Verlängerung der Elternzeit hat die Arbeitnehmerin /der Arbeitnehmer nur Anspruch, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG vorliegt. Für den wichtigen Grund ist keine Unzumutbarkeit erforderlich. Als wichtiger Grund wird anerkannt, dass z. B. der andere Elternteil die an sich vorgesehene Erziehungstätigkeit nicht übernehmen kann, weil er selbst erkrankt oder im schlimmsten Fall verstorben ist oder die Anspruchsvoraussetzungen in seiner Person weggefallen sind (Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft).

Kein wichtiger Grund im Sinne des BEEG liegt vor, wenn der Arbeitgeber des anderen Elternteils diesen aus dienstlichen Gründen nicht für die Elternzeit „freistellt“, die der anderen Elternteil ursprünglich in dem Elternzeitverlangen gegenüber seinem Arbeitgeber verlangt hat. Denn der Anspruch auf Elternzeit besteht unabhängig von einer Abwägung mit dienstlichen Gründen.

Umgekehrt hat der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin gegen den Arbeitgeber Anspruch auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit, wenn die Geburt eines weiteren Kindes eintritt oder - als besonderer Härtefall im Sinne des Gesetzes - ein Elternteil schwer erkrankt, schwer behindert wird oder verstirbt oder bei erheblich gefährdeter wirtschaftlicher Existenz der Eltern nach Antragstellung.

In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber eine Verkürzung der Elternzeit nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen. Ein solcher dringender betrieblicher Grund könnte z. B. sein, dass der Arbeitgeber für den Elternzeiturlauber eine Ersatzkraft eingestellt hat und diese nur zum bisher vorgesehen Ende der Elternzeit kündigen kann.

Bei Tod des betreuten Kindes endet die Elternzeit auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers  spätestens drei Wochen nach dem Tod.

4. Rechtsfolgen der Elternzeit

a) Bestand des Arbeitsverhältnisses

Durch Inanspruchnahme der Elternzeit wird das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand als solchem nicht berührt. Es entfallen lediglich die wechselseitigen Hauptpflichten, insbesondere Arbeitspflicht oder umgekehrt die Vergütungspflicht. Nach Ende der Elternzeit leben diese Hauptpflichten wieder auf, ohne dass es einer gesonderten Erklärung bedarf. Auch wenn es z. B. durch die Veräußerung eines Apothekenbetriebs zu einem Betriebsübergang kommt, geht das ruhende Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB auf den neuen Arbeitgeber über. Diese Rechtsfolge kann z.B. bei Apothekenkaufverträgen für den Käufer zu einer unangenehmen Überraschung führen, wenn er sich im Kaufvertrag nicht abgesichert hat.

b) Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit

Erkrankt der Elternzeiturlauber während der Elternzeit, entsteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Krankheit ist nämlich für die Nichtleistung der Arbeit nicht ursächlich. Vielmehr ruht die Arbeitspflicht aufgrund der Elternzeit. Anders ist es, wenn sich die Zeitdauer der Krankheit über das Ende der Elternzeit hinaus erstreckt. Dann hat der betroffene Arbeitnehmer insoweit Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.

c) Urlaub

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer für das jeweilige Urlaubsjahr für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Anderes gilt nur, wenn der Arbeitnehmer in Teilzeit weiterarbeitet. Dann steht ihm im Verhältnis der Teilzeit zur Vollzeit einer Tätigkeit ein verhältnismäßig zu kürzender Urlaubsanspruch zu.

Hat der Elternzeiturlauber vor Beginn der Elternzeit den ihm oder ihr zustehenden Jahresurlaub nicht oder nicht vollständig erhalten, verfällt dieser Urlaub nicht, sondern muss nach Ablauf der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des BAG gilt dies unabhängig davon, wie lange die Elternzeit dauert und ob sich an die erste Elternzeit bei Geburt weiterer Kinder weitere Elternzeiten anschließen. Endet das Arbeitsverhältnis zwischendurch oder mit Abschluss der letzten Elternzeit, ist der Urlaub abzugelten.

d) Sonderzuwendungen

Ein Anspruch des Elternzeiturlaubers auf Sonderzuwendungen besteht nur, wenn Anspruchsgrund für die Sonderzuwendung ausschließlich der Bestand des Arbeitsverhältnisses ist. Ist als Voraussetzung für die Sonderzuwendung eine tatsächliche Arbeitsleitung vorgesehen oder sieht der einschlägige Tarifvertrag vor, dass der Bezug einer Sonderzuwendung ausfällt, wenn das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes ruht, entfällt ein Anspruch auf eine Sonderzuwendung. Eine mittelbare Diskriminierung von Frauen im Sinne von Artikel 141 EG-Vertrag ist insoweit von der obergerichtlichen Rechtsprechung verneint worden.

e) Kündigungsschutz

Während der Elternzeit besteht grundsätzlich ein Kündigungsverbot. Dieses Kündigungsverbot gilt darüber hinaus für einen Zeitraum von 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit. Arbeitgeber drängen häufig die betroffenen Arbeitnehmerinnen, sehr frühzeitig „mitzuteilen“, ab und wenn ja, wie lange Elternzeit genommen werden soll. Wenn potenzielle Elternzeitler diesem Verlangen nachkommen, besteht die Gefahr, dass der Arbeitgeber noch vor Beginn der Schutzfrist kündigt. Der Arbeitgeber benötigt dann für die Kündigung keine Genehmigung der zuständigen Behörde und kann einen denkbaren Kündigungsschutzprozess mit Eintritt der Elternzeit ohne das so genannte Verzugslohnrisiko führen. Während der Elternzeit ist nämlich nur in Sonderfällen eine Kündigung zulässig, welche die zuständige Behörde – in Niedersachsen z. B. das Gewerbeaufsichtsamt - für zulässig erklärt haben. Die Zulässigkeitserklärung wird erteilt, wenn ein besonderer Grund vorliegt wie z. B. Betriebsstilllegung, Verlagerung von Betrieb oder Betriebsabteilungen oder die Ablehnung einer zumutbaren Weiterbeschäftigung durch die betroffene Arbeitnehmerin.

f) Aufhebungsvertrag

Auch wenn während der Elternzeit und 8 Wochen davor grundsätzlich ein Kündigungsverbot besteht, sind die Arbeitsvertragsparteien auch während der Elternzeit berechtigt und frei, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Insoweit sind allerdings durch den betroffenen Elternzeiturlauber die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen zu bedenken, insbesondere im Hinblick auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld und die beitragsfreie Versicherung im Rahmen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Wenn der betroffene Elternzeiturlauber allerdings bereits länger als 2 Jahre Elternzeit genommen hat, ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrags für seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld unerheblich. Ein solcher Anspruch entfällt nämlich, wenn er für 2 Jahre keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt hat.

5. Teilzeitarbeit während der Elternzeit

Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, während der Elternzeit in Teilzeit tätig zu sein, von 19 Wochenarbeitsstunden auf 30 Wochenarbeitsstunden erhöht. Damit wird die Elternzeit auch für die Väter interessanter. Die Eltern können damit zusammen 60 Stunden in der Woche arbeiten und ihren Lebensunterhalt auf bisherigem Niveau weitgehend sichern. Nach dem BEEG kann ein Elternzeiturlauber Teilzeitarbeit wie folgt verrichten:

  • bis zu 30 Wochenstunden bei dem bisherigen Arbeitgeber,
  • bis zu 30 Wochenstunden bei einem anderen Arbeitgeber,
  • in selbstständiger Tätigkeit.

Gegenüber dem eigenen Arbeitgeber kann der Elternzeiturlauber einen Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit nur durchsetzen, wenn der Arbeitgeber - nach Köpfen gerechnet - in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen beschäftigt.

Die Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber bedarf der Zustimmung des bisherigen Arbeitgebers, die dieser nur innerhalb von 4 Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen darf.

Bei Verteilung der wöchentlichen Teilzeitarbeitszeit hat der Arbeitgeber ein Weisungsrecht, das er nach billigem Ermessen auszuüben hat. Dabei sind einerseits die betriebsüblichen und -notwendigen Arbeitszeiten zu berücksichtigen, andererseits aber auch die Betreuungsmöglichkeiten der Elternzeiturlauber durch Kindertagesstätten mit ihrer jeweiligen Öffnungszeit.

Der Elternzeiturlauber, der bei seinem bisherigen Arbeitgeber Teilzeitarbeit verrichtet, genießt während der Elternzeit ebenfalls den besonderen Kündigungsschutz wie der Elternzeiturlauber, der während dieser Zeit nicht arbeitet. Der Arbeitnehmer, der hingegen während der Elternzeit bei einem anderen Arbeitgeber tätig ist, genießt diesem gegenüber keinen Sonderkündigungsschutz.

Resumée:

Die Elternzeit und deren Folgen sind im BEEG detailliert gesetzlich geregelt. Gerade die gesetzlichen Feinheiten beinhalten jedoch eine Reihe von Fallstricken, die von der jeweiligen Partei bedacht werden müssen, wenn sie ihre Interessen zur Geltung bringen möchte. 

Dr. Johannes Kevekordes
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Für kompetente Beratung im Apothekenrecht

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