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Der Mitarbeiter handelt – Der Chef haftet? – Apothekenrecht

Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung

Arbeitgebern und ihren Mitarbeitern, insbesondere auch Apothekern und Ärzten und ihren Mitarbeitern ist häufig nicht klar, wer im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer letzlich den Schaden zu tragen hat, den ein Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit verursacht. Nach der gesetzlichen Ausgangslage gelten an sich die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze. Danach müsste ein Arbeitnehmer in vollem Umfang haften, wenn er vorsätzlich oder auch nur leicht fahrlässig Gesundheit oder Eigentum des Arbeitgebers oder eines Dritten verletzt. Die Rechtsprechung hat demgegenüber jedoch schon früh für die Arbeitnehmer Haftungserleichterungen entwickelt, wenn und soweit ein Arbeitnehmer Schäden im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit verursacht.  Gründe dafür sind u.a. folgende: Nach Art und Dauer einer Arbeitstätigkeit muß aufgrund menschlicher Unzulänglichkeit damit gerechnet werden, dass auch dem sorgfältigen Arbeitnehmer Fehler unterlaufen. Dabei hat der Arbeitnehmer keine Möglichkeit, dem Risikopotential auszuweichen, das ihm der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts zuweist, z.B. gefährliche Stoffe, teure Maschinen oder Arbeitstempo und Arbeitsorganisation. Angesichts des häufigen Missverhältnis zwischen Verdienst und Haftungsrisiko würde die volle Überwälzung des Haftungsrisikos auf Arbeitnehmer ihre wirtschaftliche Existenz oftmals vernichten. 

Während nach der Rechtsprechung bis 1985 Arbeitnehmern eine Haftungsmilderung nur für sogenannte gefahrgeneigten Tätigkeiten gewährt wurde, ist nach der geltenden Rechtsprechung der Schadensausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich nach folgendem dreistufigem Haftungsmodell vorzunehmen:

  • a) keine Haftung des Arbeitnehmers bei leichtester Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers
  • b) anteilige Haftung des Arbeitnehmers (für ca. 1/5 bis zu 1/2 des Schadens) bei mittlerer Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers
  • c) in der Regel volle Haftung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. 

Leichteste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es sich um eine geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeit handelt. Beispiel ist ein geringfügiger Fehlbestand der Kasse oder des Warenlagers, zu der bzw. dem ausschließlich der/die betreffende Mitarbeiter/in Zugang hat. Auch in einem solchen Fall trifft den Arbeitnehmer jedoch die volle Haftung für Fehlbestände, wenn der Arbeitgeber mit dem betreffenden Arbeitnehmer eine wirksame Mankoabrede getroffen hat. Diese setzt voraus, dass allein der Arbeitnehmer Zugang zu der betreffenden Kasse/dem betreffenden Lager hat und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Fehlgeldentschädigung zahlt. Deren Höhe sollte im Regelfall – unter Berücksichtigung der lohnsteuerlichen Freigrenze von 15 € - monatlich 10 € nicht unterschreiten. Auch dann muß der Arbeitgeber jedoch einen tatsächlichen und nicht lediglich buchmäßigen Fehlbetrag oder Fehlbestand nachweisen. Der bloße Hinweis auf einen Fehlbestand laut vorliegender EDV-Auswertung würde nicht ausreichen. 

Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Haftungsanteil des Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände zu bestimmen, insbesondere nach der Versicherbarkeit des – eingetretenen – Risikos durch den Arbeitgeber, nach der Höhe des Einkommens des Arbeitnehmers, seinem Vorverhalten und seinen sozialen Verhältnissen. Anteilige Haftung des Arbeitnehmers bedeutet danach nicht automatisch seine hälftige Haftung, sondern meistens erheblich weniger. Die vom Bundesarbeitsgericht gewollte Einbeziehung aller Umstände macht das Ergebnis eines Haftungsprozesses gegen einen Arbeitnehmer in der Regel unvorhersehbar. Eine Einigung der Parteien durch Vergleich anstelle eines Haftpflichtprozesses ist deshalb in der Regel die wirtschaftlich vernünftigere Lösung. 

Grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers liegt vor, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, die jedem eingeleuchtet hätte. Vorsatz setzt nicht nur einen willentlichen Verstoß gegen arbeits- und außervertragliche Pflichten voraus, sondern auch zumindest bedingten Vorsatz gegenüber dem Schadenseintritt.

Die Abgrenzung zwischen mittlerer Fahrlässigkeit gegenüber grober Fahrlässigkeit und Vorsatz wird anhand der folgenden Fälle deutlich:

Das Vertauschen von Blutkonserven, das zum Tod des Patienten geführt hat, wurde von der Rechtsprechung als grob fahrlässig beurteilt. Der betreffende Arzt/Ärztin musste sich gegenüber dem Krankenhausträger als Arbeitgeber mit seinerzeit über 110.000 DM an dem entstandenen Schaden beteiligen (BAG 25.9.1997 – 8 AZR 288/96, ArbuR 1998,123). Dieser Fall dürfte der Abgabe eines falschen Medikaments durch eine/n approbierten Mitarbeiter einer Apotheke mit der Folge des Todes des Patienten entsprechen, wenn sich das falsche von dem korrekten Medikament für einen Apotheker eindeutig unterscheidet.

Dagegen dürfte es von dem konkreten Krankheitsbild abhängen, ob bereits grobe oder noch mittlere Fahrlässigkeit vorliegt, wenn ein approbierter Mitarbeiter einer Apotheke einem Patienten zur Behandlung einer Furunkel am Hals eine Créme empfiehlt und verkauft, statt ihn zum Arzt zu schicken, und sich dann später – zu spät – herausstellt, dass der Patient an Hautkrebs erkrankt ist. Geht man von mittlerer Fahrlässigkeit aus und nehmen die Angehörigen des daraufhin verstorbenen Patienten statt des Arbeitgebers den Mitarbeiter in Anspruch, dürfte dieser gegen den Arbeitgeber Anspruch darauf haben, von einer Haftung freigestellt zu werden, die ein Monatsgehalt übersteigt (vgl. LAG Nürnberg LAGE § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr.14). Nicht nur für einen Arzt, sondern auch für einen Apotheker ist es zum Schutz seiner eigenen wirtschaftlichen Existenz also unabdingbar, eine Betriebs- und eine Vermögenshaftpflichtversicherung abzuschließen, die Schäden von Patienten durch z.B. Falschberatung in der Apotheke ersetzt. Greift die vom Arbeitgeber abgeschlossene Betriebs- oder Vermögenshaftpflicht ein, reduziert sich die Haftung des Arbeitnehmers auf die vereinbarte Selbstbeteiligung des Arbeitgebers und seinen Rabattschaden, d.h. seinen künftigen Prämienmehraufwand durch Zurückstufung. Ist der Abschluß einer Betriebs- oder Vermögenshaftpflichtversicherung wie im Fall der Ärzte und Apotheker üblich, werden sie von der Rechtsprechung so gestellt, wie wenn sie solche Versicherungen abgeschlossen haben, auch wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist (vgl. LAG Köln 7.5.1992, DB 1992,2093).

Achtung: Auch wenn Mitarbeiter mit dem Betriebs-PKW grob-fahrlässig einen Unfall verursachen, z.B. durch Fahren im alkoholisierten Zustand, durch ein Telefonat mit dem Mobiltelefon während der Fahrt (BAG 12.11.1998 – 8 AZR 221/97), dem Überfahren einer Ampel, die Rotlicht zeigt (BAG 8.7.1992, NJW 1992,2418) oder die Zustellung von Ware, während der Schlüssel im Fahrzeug stecken bleibt und ein Dritter dann mit dem Fahrzeug einen Unfall verursacht (Hess.LAG 10.8.2001 Az.14 Sa 1472/00),  geht die Rechtsprechung offenbar davon aus, dass der Abschluss einer Vollkasko-Versicherung üblich ist. Auch in solchen Fällen soll sich die Haftung des Arbeitnehmers auf die übliche Selbstbeteiligung von 2.000 DM bzw. 1.000 € beschränken (BAG 24.11.1987, DB 1988,1606 für einen LKW-Unfall unter angeblich der Abwägung aller Gesamtumstände statt einer generellen summenmäßigen Begrenzung). 

In anderen Fällen grober Fahrlässigkeit ist ebenfalls eine deutliche Haftungsreduzierung des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen, wenn sein monatlicher Netto-Verdienst zur Höhe des Schadens in einem Missverhältnis steht. In einem Fall, in dem der grob fahrlässig handelnde Arbeitnehmer mit einen monatlichen Nettoverdienst von 2.500 DM einen Schaden von 150.000 DM verursacht hatte, reduzierte das BAG seine Haftung auf 20.000 DM (BAG 23.1.1997 – 8 AZR 893/95, ArbuR 1997,119). 

In solchen Fällen bleibt dem Arbeitgeber nur der Weg nachzuweisen, dass ein Arbeitnehmer vorsätzlich gehandelt hat und auch den Schaden vorsätzlich herbeiführen wollte oder aber eine betriebliche Veranlassung für die schädigende Handlung des Arbeitnehmers fehlt, wie der folgende kürzlich vom BAG entschiedene Fall zeigt (BAG 18.4.2002, AZR 348/01): Ein Auszubildender mit einer monatlichen Vergütung von 307 €, der weder einen entsprechenden Führerschein besaß noch eingewiesen worden war, hatte trotz generellen Verbots einen Gabelstapler gefahren. Es kam wie es kommen mußte. Er rammte mit dem Gabelstapler das Tor der Lagerhalle, wodurch ein Schaden von ca. 3.500 € entstand. Der Auszubildende verteidigte sich damit, daß angeblich ein LKW habe abgeladen werden müssen, was der Arbeitgeber bestritt. Wegen des vorsätzlichen Verstosses des Auszubildenden gegen das Fahrverbot forderte der Arbeitgeber vollen Schadensersatz. Das Arbeitsgericht verurteilte den Auszubildenden lediglich zur Schadensersatzleistung von einem Viertel des Schadens, was das Landesarbeitsgericht in der Berufungsinstanz bestätigte. In der Revisionsinstanz bestätigte das BAG zunächst den Grundsatz, daß der Arbeitgeber für eine volle Haftung des Arbeitnehmers Vorsatz nicht nur für die schädigende Handlung, sondern auch im Hinblick auf den Schadenserfolg nachweisen müsse. Halte der Arbeitnehmer den Schadenseintritt zwar für möglich, vertraue er aber darauf, „es werde schon gutgehen“, liege insoweit „nur“ grobe Fahrlässigkeit vor. Damit seien die Grundsätze der Schadensquotelung bei grob-fahrlässigem Handeln des Arbeitnehmers anzuwenden. Gleichwohl hob das BAG das Urteil des LAG auf die vom Arbeitgeber eingelegte Revision auf und gab dem LAG auf zu prüfen, ob im konkreten Fall überhaupt Anlaß für eine Haftungsmilderung besteht. Der Arbeitgeber habe nämlich unter Beweisantritt jegliche betriebliche Veranlassung der Fahrt des Auszubildenden mit dem Gabelstapler in Abrede gestellt. D.h. Mitarbeiter, die ein Fahrzeug des Arbeitgebers zu einer „Jux-Fahrt“ benutzen und dabei einen Unfall verursachen, haften wie jeder Dritter in vollem Umfang. 

Dr.Johannes Kevekordes
Rechtsanwalt und Notar,
zugleich Fachanwalt für Arbeitsrecht

Für kompetente Beratung im Apothekenrecht

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